Renate Rosina Dardier-Gsell *1788

Renate Rosine Dardier - Gsell, 1788 - 1896, Schwester von J.L. Gsel! - Schobinger hatte ihre Wohnung an der Bankgasse 7, nördlich Gallusplatz. Sie hatte 6 Kinder:

  • *1816  Anna Johanna Louise Dardier
  • *1817  Sophie dardier - Zwingli
  • *1819  Elise
  • *1823  Emma Emélie
  • *1824  Barholome Ferdinand
  • *1825  Marie Amelie

Renate Dardier - Gsell in ihrer Wohnung am Gallusplatz

Clara Gsell besucht ihre gelähmte Grosstante in deren Wohnung an der Bankgasse 7, nördlich Gallusplatz.

Mitten in der Stadt an winkliger Strasse, nicht fern der alten Kirche steht ein hohes Haus, das wir Kinder oft, aber immer mit leisem Schauern betraten. Die schwere grosse Thüre sah schon so ehrwürdig aus. Die Gewölbe im Erdgeschoss versetzten uns in eine Kirchenstimmung ! ganz ernst u. bänglich wurde uns zu Mute. Das braune Holzgeländer zur Seite der Treppen wand sich langsam die vielen Stockwerke hinauf. Oben angelangt konnte man bis tief in den Keller hinunter sehen. Krampfhaft hielten wir uns daran fest, denn nie konnten wir vergessen, dass hier eine uns sehr liebe Tante als zwölfjähriges Mädchen hinunter gestürzt war und ihren Tod gefunden hätte, wenn nicht ihr dichtes Haar, fest in einen Knoten gebunden den Aufprall gemindert hätte u. so den Tod verhinderte. -

Vor einer verschlossenen Türe machten wir Halt. Die Klingel wurde gezogen. Eine uralte Magd erschien uns zu öffnen. Durch eine zweite Holzgittertüre, die in allen Fugen knarrte traten wir zagend ein auf einen Vorplatz, wo altehrwürdige Kasten u. strohgeflochtene Stühle standen. Nun wurden wir angemeldet u. standen bald darauf in einem kleinen einfachen Schlafzimmer, wo seit vielen Jahren unsere alte gelähmte Tante in schneeweissem Bette log, geduldig ihre Leiden ertragend, gepflegt von ihren beiden Töchtern. Lächelnd streckte sie uns ihre welken Hände entgegen, zog unter dem Kopfkissen eine Schachtel mit Bonbons hervor, beschenkte uns und freute sich über uns fröhliche Boten der Aussenwelt. Oft brachten wir Blumen aus unserm Garten mit, oder besonders schöne Aprikosen u. Pfirsiche, die an unsern Spalieren wuchsen. Welch tiefes Mitleid hatten wir mit der armen Kranken, konnten dies aber nach Kinderart nie aussprechen, was uns sehr bedrückte. Auch den beiden Tochtern des Hauses standen wir mit einem gewissen Respekt gegenüber, waren sie in unsern Augen doch schon uralt. Die eine imponierte uns, so klein und unscheinbar sie in ihrem schwarzen Häubchen u. dem Franzenfichu aussah durch ihre Kenntnisse in fremden Sprachen u. durch die Erzählungen ihrer Reiseerlebnisse. In Russland u.Italien, auf Madeira u. in Frankreich war sie viele Jahre als Erzieherin tätig gewesen. Dass die Liebe nie ihren Weg gekreuzt, wie es in der Familie hiess, tat meinem leichtentflammten Mädchenherz so innig leid u. kam ihm so trostlos vor, dass ich das tiefste Mitleid für das alte Jungfraulein hegte. Die andere Schwester, gross u. hager mit liebevollem aber schillerndem Blick erschien mir darum als ein wunderbares Wesen, weil von ihr die Sage gieng, sie könne nicht mehr weinen, da sie in der Jugend beim Lesen sentimentaler Bücher zu viele Thränen vergossen habe. Wenn ich dabei meiner Tränenströme bei der Lektüre gedachte, wurde mir angst u. bang; allerdings ganz unnützer Weise, denn sie sind nie versiegt diese Bächlein innerer Qual u. Freude.

Wenn in der grossen niederen Stube des alten Hauses für uns mit den goldgerandeten Tassen der Tisch gedeckt u. Chokolade gereicht wurde, so bemächtigte sich unser ein bängliches Glücksgefühl. Ganz frei athmeten wir ober erst wieder auf, wenn all die verschiedenen Gittertüren, die knarrende Treppe, das schwere Holztor hinter uns waren, wir den grauen Kirchturm hinein ragen sahen in den blauen Himmel u. die Welt offen u. golden vor uns lag. ----