Klara Gsell-Dietschi 1900 - 1987

Klara im Konformationskleid

Klara Dietschi wurde als Karfreitagskind 1900 in Winterthur geboren, in einer Familie, deren Vorfahren väterlicherseits um 1700 von Lostdorf im Kanton Solothum als Reformierte nach Russikon und von dort nach Hittnau in das Zürcher Oberland übersiedelten. Klaras Vater wurde 1890 Bürger von Winterthur. lhre Mutter war eine geborene Streicher von Speichingen bei Tuttlingen im Juragebiet von Württemberg. Sie hatte als junge Tochter in der Schweiz gearbeitet und ihren Gatten kennengelemt.
Die Jugendjahre in der Schützengasse in Winterthur mir zwei Schwestern Rosa, später Frau Ochsner, und Martha, später Frau Gubler, sowie dem Bruder Heinrich, beruflich in Winterthur tätig, waren dank der tüchtigen, still wirkenden Mutter freudig und ungetrübt. Der Vater war Schlossermeister bei der Firma Sulzer. Doch als er dann die Petition für den freien Samstagnachmittag unterschrieb, wurde er entlassen und nach einem Jahr Arbeitslosigkeit bei der Lokomotivfabrik Winterthur angestellt. Er war ein begeisteter Schütze und wirkte im Grütli-Verein aktiv mit.
Nach den ersten Schuljahren bei einem herrischen Lehrer, dessen Tatzen das kleine Klärli auch zu spüren bekam, siedelte die Familie nach Pfungen über, wo Klara zusammen mit ihrem Bruder ein frohes Schulkind werden konnte. Feiertags verdiente sie bei ihrer Grossmutter Dietschi-Benz, die eine dortige Wirtschaft (Landgasthof Sternen)führte, beim Kegelaufstellen das erste Geld.

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LG :Die Wirtschaft "Sternen" existiert immer noch in der Talsohle an der Hauptstrasse und wurde immer beachtet, bei den vielen Autofahrten der Familie zwischen Basel und St.Gallen. Die Kantonsstrasse entlang dem Rhein, mit den viele Eisenbahnunterführungen war das Werk von Onkel Adolf Naeff dem Srassenbauer der Naeffenfamilie und dies wurde bei jeder Unterführung erwähnt. Der Wald, den man von Westen kommend nach Pfungen hinein durchfährt fand zudem auch jedesmal als Muttis, später Grossmuttis Märliwald Beachtung.

Wer kennt sie noch !! ??

Bereits mir 14 Jahren ging es an das Verdienen, was Klara stets als zu früh bedauert und als Nachteil empfunden hat. Als Hilfstochter im Hotel Bahnhof Wil bei Familie Lüthy fand sie Zeit, sich durch Lesen weiterzubilden und alle Feuilletons der Zeitungen zu verfolgen. Weiter bildtete sie der Konfirmationsunterricht. Ferien gab es noch keine, nur zweimal pro Jahr einen halben Tag, wo Klara als Seltenheit nach Winterthur in das Elternhaus fahren konnte. Nach zwei Jahren sandte der Vater sie in die französische Schweiz, erst ein Jahr nach La Chaux-de-Fonds, aber in eine deutschsprachige Familie, dann nach Neuchâtel, wo sie in der französischen Sprache heimisch wurde.

Nobelhotel Lion d'Or Winterthur

Anschliessend hatte Klara eine volle Stelle im Hotel Löwen in Winterthur, wo sie alle Dienste machen musste und die Vertraure der Besitzerin, Frau Bindschedler, wurde, welche ihr alle Neuigkeiten der Stadt übermittelte und sie mit den vielen Stadtgästen bekannt machte. Hier konnte sie Geld sparen, um die Schwesternausbildung, die damals noch etwas kostete, vorzubereiten.
In der Schwesternschule der Schweizerischen Pflegerinnenschule Zürich erhielt sie eine wirklich vollkommene Ausbildung unter Leitung der von ihr immer geschärzren Oberin D. Lehmann. Sie kam in das Kantonsspital Zürich, in das Krankenhaus Affoltern und erhielt dann das Diplom. Die Schwesterntätigkeit fand Klara ihr ganzes Leben lang als einen erfüllenden Frauenberuf, und sie sagte, diese Ausbildung würde sie stets wieder wählen. Gerne wirkte sie später als Mirglied im Pflegerinnenschule-Vorstand mit und lud jährlich die ostschweizerischen Pflegerinnen in ihr Heim ein. Für die Festschrift zum 15jährigen Jubiläum der Schweizerischen Pflegerinnenschule steuerte sie die illustrationen von Charles Hug bei, in dessen Zeichnungen sie als Schwester dargestellt ist.

Als Schwester in der medizinischen Universitätsklinik Zürich wurde Klara sehr bald auch wegen ihrer Kochünste geschätzt. Damals gab es noch einen sehr anstrengenden Dienst im Krankenhaus, wo man die Säle selbständig blochen musste. Von Oberarzt Prof. W. Gloor wurde sie zur Leiterin der ersten Diätküche in der Schweiz erkoren, konnte sich in Hamburg und Berlin ausbilden und gründete im Souterrain des Kantonsspitals eine besondere Kuche, wo alle Kalorien der Nahrungsbestandteile der Krankenkost ausgerechnet und in Schemata zur Verfügung gestellt wurden. Zu Klaras Aufgaben zählten die von ihr eingeführten Besuche bei den Patiemen und die Ausbildung junger Schwestern in der Zubereitung der Krankenkost.
Zum besonderen Ereignis wurde jeweils das Sonnragsfrühstück in der Diätküche, an dem alle Assisrtenten teilnahmen. An hohen Feiertagen beglückte Klara diese nicht nur mir einer speziellen Kost, sondern auch mit den entsprechenden Sprüchen und Reimen.
Die Assistenzärzte waren damals noch meist unverheiratet, so dass aus dieser Klinik und aus dieser Zeit allein 6 Paare hervorgingen, darunter auch die Heirat von Klara mit dem Oberarzt Otto Gsell im Jahre 1936. Die Freundschaft aII dieser Paare blieb über das ganze Leben erhalten mit Treffen am Jahreswechsel oder zu Pfingsten im Heim der Gsells auf der Lenzerheide.
Es sind insgesam vier Wohnsitze und Orte, wo das Paar Klara und Otto Gsell miteinander ihr Leben geführt haben:
1. Die Scheffelstrasse 3 in St.Gallen 1936-1952
2. Die Maiengasse 56 in Basel 1953-1971
3. Das Lenzerheide-Haus in Val Sporz ab 1948 für alle Ferienzeiten, im Sommer zum Wandern, im Winter zum Skifahren
4. Die Wohnung an der Zwinglistrasse 21 in St.Gallen 1972 bis zum heutigen Zeitpunkt

Im Mittelpunkt der Scheffelstrasse stand für Klara die Geburt, das Heranwachsen und die Erziehung ihrer drei Kinder Regine, Laurenz und Hans-Otto, der liebe Kontakt mit den St.Galier Grosseltern, dem ehemaligen Arzt Otto und seiner Gattin Gsell-Bärlocher, sowie die Mithilfe in der Arztpraxis an 3 Nachmittagen pro Woche. Ihre Liebe und Fürsorge galt aber auch dem Kriegspflegekind Harald Hess und den Nichten und Neffen, insbesondere Martin Gubler, dem späteren Zürcher Denkmalpfleger und Barockkenner.

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Die Kinder durften munter und gesund heranwachsen, und Klara konnre miterleben, wie das Ansehen ihres Gemahls als Arzt und Forscher stetig grösser wurde. Nach den enrbehrungsreichen Kriegsjahren war eine längere Reise mit Otto durch die USA, verbunden mit Besuchen an dortigen Forschungsinstituten, in Spitälern unter Führung von Prof. K. E Meyer, dem Forscher und Freund in San Franzisco, ein grosses Erlebnis. Immer wieder gab das Treffen mit dem Maler Charles Hug und seiner Gattin Renee Konrakt mit der Welt der Künstler und das Zusammentreffen mit dem Industriellen Walter Kopp und dessen Wiener Gattin Gretel am Bodensee, den Verwandten Streulis in Meilen und in Schönenwerd volle Anregung und Freundschaft.

1952-1971 war das Leben an der Maiengasse mitten in der Stadt Basel wieder ganz anders anregend. Nachdem das neue Heim und der Garten mit viel Geschmack eingerichtet waren, durften hier viele Leute ein und ausgehen. Wer noch keine Waschmaschine besass, konnte Wäsche bringen. Die jungen Leute, die irgendeine Beziehung zu Familie Gsell «nachweisen» konnten, wurde jeweils am Donnerstag mittag mit einem Prachtsessen verwöhnt. Auch in Basel fand sich ein grosser Clan der Verwandten, die Naeffs, Kläuis, Kollreuters, Altweggs, Im Hofs, Schlettweins und Steinlins, und jeden Dezember trafen sich diese an einer langen und imposanten Tafel, jeder mit einem 5-Frankengeschenk und einem selbstgemachten Gedicht. Dann aber wurden durch die Professorsfrau viele Persönlichkeiten und Berufskollegen Ottos bewirtet, so dass es bald einmal hiess, aII dies würde auch einer alten Basler Familie wohl anstehen.
Die 400-Jahresfeier der Universität war für die Professorengartinnen Anlass, einen grossen Wandteppich für die Aula der Universität zu sticken, und diese gemeinsame Arbeit wurde auch Ursprung für neue Freundschaften. Dies führte zur Mitarbeit im gemeinnützigen Frauenverein, wo Klara mit der Betreuung des Kinderheims in der Breite beauftragt wurde. Auch in der Kirchgemeinde St.Peter hat Klara aktiv mitgemacht und konnte mit ihrem natürlichen und spontanen Empfinden oft besser als Gelehrte auf den richtigen Weg weisen.
Klaras Werdegang führte auch oft aus Basel heraus, meist verbunden mit den Aufgaben und Pflichten Ottos. Drei Reisen führten nach Finnland zum Besuch der dortigen Spitäler, da damals finnische Medizinstudenten bis zum Ausbau ihrer dortigen medizinischen FakuJtäten nach Basel geholt wurden, und unter Leitung von Otto als Dekan waren dies schliesslich 150 Studenten und Studentinnen. Unter Obhut des zum Freund gewordenen Dr. Kuusisto und seiner Gattin wurden nähere Kontakte mit Finnland geknüpft und bei der Ernennung Ottos zum Ehrendoktor an der Universität Turku festliche Tage gefeien. Dann freute sich Klara an einer Reise nach Afrika, wo Otto fünf mal als Lehrer der schwarzen Medizinstudenten in Ifakara, Tansania, während der Sommermonate unter Leitung des initiativen Prof. R. Geigy vom Tropeninstitut Basel tätig war und im dortigen St. Francis Hospital ein jahrelanger Kontakt mit den Baldegger-Schwestern begann. Klara wirkte wiederum in der Küche beim Backen von Pfannkuchen und beim Einkauf und Zubereiten der Fische. Bei der Heimreise mit Sohn Laurenz und der Diätschwester Marie beglückte eine Safari in der Serengeti und im Krater von Novogoro mit der riesigen Tierwelt die vier Reisenden. Es gab Ferien in Spanien bis zum Alterssitz Karls des V in Yuste bei Placencia, dann in Bergen, Holland, mit Meerbadfreuden der Kinder, in Griechenland mit dem einzigartigen Blick auf das Meer im Cap Sunion, in Wien mit der Tagung an der Hofburg, in Berlin mit dem Durchqueren der trüben eisernen Mauer und sch1iesslich einen Besuch in Westfalen, wo in Anholt die Gemälde des Gsellschen Ahnen Georg um 1700 und seiner Gattin, der Tochter von Sybilla Merian, deren Tier und Blumenbilder Klara sammelte, allseits bestaunt wurden. Vor allem freute sich Klara an den Pfingstferien in der Tenuta di Ricavo, die Frau
Scottoni in Castellina in Chianti leitete und wo Ruhe auf der sonnige Terrasse und Nachtischgespräche mit den immer wieder hier zusammenkommenden
Schweizer Ärzten frohe Unterhaltung boten. Wohl 15 Ferien genoss sie dort bis Altersbeschwerden die Reise in die Toscana zu mühsam machten. Auch zweimal Reisen nach Neuseeland zur Tochrer, ihrem Gatten und den drei Enkelinnen, zuvor mit Besuch in Indien, Hong-Kong und Australien, seien als erfreuliche Ereignisse erwähnt.

1948 wurde auf Klaras Wunsch das Ferienhaus auf der damals noch wenig bewohnten l.enzerheide gebaut. Nachdem sich hier zuerst die junge Familie in der herrlichen Bergwelt austoben konnte, verbrachten viele Bekannte und Verwandte sportliche und geruhsame Tage in grossem Haus. Es gab Jugendwochen der Kinder, Frauenwochen mit den St.GaIler Freundinnen, mit Sophie Berchtold, Helene Rheiner, Heidi Baumgarrner, Hilda Biedennann, Lorli Engel, von Schaffhausen Marhilde Schmid, von Uzwil Dorli Giezendanner und später Edith GseIl, gemeinsame Tage, Gespräche auf der Heide am warmen Kachelofen und
beim Kakao-Sporz. Dann kamen auch die Freundespaare aus der Zürcher Klinik für eine Ferienwoche hierher, so Hansueli und Trudi Gloor-Meili, Elise und Max Holzmann, Marhilde und Hans Schrnid, von Chur Fritz und Margrit Leutenegger, stets mit dem Aufsuchen der nahewohnenden Zürcher Freunde Ervin und Rurh UeWingerüUelinger.

Ab 1971, nach Ottos Pensionierung als Professor wiederum in St.Gallen, galt es, den kleineren Zweierhaushalt an der Zwinglistrasse zu führen. Zu Besuch kamen nun auch schon Enkelkinder hinzu, und die Wohnung wurde umso heimeliger, je mehr Fotos und Bilder von ihnen an diversen Wänden und auf den Büchergestellen zu finden waren. Freunde und Freundinnen aus der ersten St.Galler Zeit, dann der Schwager Pfarrer Karl Gsell und Gattin Margrit in Teufen, der als Helvetiageneralrlirektor tätige Vetter Willi Gsell und seine Gattin Edith haben mitgeholfen, dass Klara St.Gallen bald wieder als Heimat empfand und zudem war die Lenzerheide nähergetückt. Zeitlebens hat Klara gerne gelesen, insbesondere Biographien und geschichtliche Werke, dann Fontane und Gottfried Keller. Dank ihres guten Erinnerungsvermögens konnte sie neben den als Schulkind gelernten Gedichten ganze Stammbäume von Farnilien vortragen, was vor allem ihre Enkel immer wieder in Erstaunen versetzte.

In schweren Stunden hat ihr der Bibelspruch, der dann bei der Abdankung Leitmotiv war, geholfen, denn Verluste und Trauer, so der Tod des Enkellieblings Caspar, dann der ganzen Elterngeneration, der drei Geschwister und ihrer Lebensgefährten, blieben nicht aus. Ein Wochenendtreffen in Wildhaus 1985 brachte die vielen Dietschi-Verwandten zu ihrem 85. Geburtstag nochmals zusammen. Das Ideal ihres Vaters "Arbeiter, Bauer, Wissenschaftler sollen die 3
Eidgenossen der Zukunft sein" fand Klara in ihrer Familie voll verwirklicht. Aus der Jugend im Arbeiterstand ist ein Mitempfinden für die sozial Benachteiligten immer wachgeblieben. Dem Bauernsrand blieb sie durch ihre Schwestern, die Landwirte heirateten und deren Kinder weiter
Bauern blieben, stets nahe. Ihr eigenes Heim war in einem wissenschaftlichen, akademischen anregenden Milieu aufgebaut. Dank ihrer Gescheitheit der Nichtstudierten fand sie sich all diesen Kreisen verbunden, auch dank ihres von Herzen kommenden klaren Urteils. So durfte sie die Freuden des Lebens in der Schweiz in einer grossen Familie bis in das 9. Jahrzehnt geniessen.
Dann haben in den letzten 5 Jahren die körperlichen Kräfte abgenommen und sie war schliesslich fast ganz an ihre ihr liebgewordene Wohnung mit der Aussicht auf Stadt, Kirchen und den Freudenberg gebunden, froh um die Unterstützung im Haushalt durch die treue Frau Schellhaas. lhre Zahn- und Beinbeschwerden hat sie mit Tapferkeit ertragen. Die geistigen Fähigkeiten blieben ungetrübt. Klare Augen und gutes Gehör begleiteten sie auch, als sie fühlte, "wie der Körper weggeht".Den Besuch der Tochter aus Neuseeland wollte und konnte sie noch erleben und mit ihr im Mai 1987 die ganze Familie, ihre Kinder und Enkel nochmals zum festlichen Mahl bei sich vereint zu sehen. Dann versagte das Herz und ohne besondere Klagen erlosch am 5. Juni
1987 im 88. Altersjahr in ihrem eigenen Heim das Leben dieses geliebten, ernsten und doch frohmütigen Menschen.