Hans Gsell, 1904 - 1942

Otto Gsell schreibt zu seinem Bruder:

Hans Gsell wanderte nach Matura in St.Gallen und Banklehre in Neuchâtel 1926 nach Argentinien aus und trat in die dortige Bank Tornquist, Buenes Aires, ein, wo der Vetter seines Grossvaters Guillaume/Germain Gsell, jüngster Sohn des Malers Caspar Gsell in Paris, tätig war. Leider gab dieser bei Ankunft von Hans seine Stelle auf und kehrte als Pensionierter ohne Familie nach Frankreich zurück. (Guillaume war finanziell schlecht gestellt. In Frankreich war er auf die Hilfe seiner Brüder angewiesen; Lauri). Hans blieb in der Bank, lernte in Reisen Argentinien und Chile kennen und hatte einen frohen Freundeskreis, heiratete Raquel Rebuffo. ( er war mit Raquel "nur" verlobt"; Lauri). Als er nach einem halben Jahr die Hochzeitsreise ( Verlobungsreise; Lauri) antrat und eine Fahrt in die Anden unternahm, starb er nach wenigen Tagen an einer Lebensmittelvergiftung. Er is im lutherischen Friedhof von Buones Aires begraben. Seine "Gattin" - in ihrem Herzen, wie sie sagte, den Juanito stehts bewahrend - heiratete einen dortigen Steuerbeamten (Piazza), mit dem sie drei Söhne hat.

Kindheit

Hans Gsell kam zur Welt am 20.Mai 1904 in St.Gallen als Sohn des Doctorpaares Gsell-Bärlocher. Im sonnigen neu erbauten Hause " zum Bierhof" an der Lämmlisbrunnstrasse verlebte er mit seinem um 2 Jahre ältern Bruder Otto u. dem Lieblings Zwillingsbruder Carl eine sorglose frohe Jugendzeit. Beim Spiel mit den Kindern des Hauses sich vergnügend, in der Schule bei Lehrern u. Mitschülern beliebt, auf den sonntäglichen Wanderungen mit Eltern und Geschwistern die schßne Umgebung der Vaterstadt kennen lernend, wuchs Hans zur Freude der Grosseltern - der Grossvater väterlicherseits war schon vor der Geburt des Enkels gestorben - und von Vater u. Mutter heran zum gesunden lebensfreudigen Menschen. Mühelos, mit gutem Lernkopf durchlief er Primarschule u. Gymnasium ~ in den freien Stunden verschaffte ihn besonders Fusballspiel u Schwimmen Vergnügen; in den letzten Kantonschuljahren war er gern Mitglied der Rhetorika nach alter Familientraition. In den Ferien bot jeweils der Aufenthalt an irgend einer interessanten Gegend, im Bündnerland, am Vierwaldstättersee, im St. Galler u. Berneoberland etc. mit der Familie Gelegenheit zur Erholung, Stärkung von Körper u. Geist, Vermehrung der Kenntnis der lieben Schweiz u. Befriedigung der schon früh erwachten Reiselust.

Ausbildung

Nach Abschluss des Studiums an der Kantonschule St.Gallen mit der Maturitäsprüfung 1924, begab sich Hans zu weiterer Kaufmännischer Ausbildung für ein Jahr aIs Volontär nach London an in die dortige Filiale des Schweiz. Bankvereins u. zur Erwerbung weiterer allgemeiner u. sprachlicher Kenntnisse. Mit Freude ergriff er die Gelegenheit, durch Vermittlung eines lieben Verwandten in Buenos Aires, Anstellung in einem Bankhause daselbst zu finden u. so dem Drange ,sein Leben selbst früh einzurichten u. fern von der Heimat viel Interessantes zu schauen, auf weiten Reisen u. durch Ansiedelung fremdes Land u. andere Leute kennen zu lernen, genüge leisten zu können

Auf nach Argentinien

Im Februar 1926 sagte Hans seinen Lieben u. dem Vaterlande Valet und fuhr frohgemut voller Erwartung von Bordeaux auf der Massilia nach Südamerika, nach Buenos Aires, das seine zweite Heimat werden sollte. In regelmässigen Briefen folgen jetzt durcn eine lange Reihe von Jahren die ausführlichen Berichte : Über die warme Aufnahme des jungen Gsellen bei den liebenswürdigen Verwandten in der grossen Weltstadt, besonders bei dem gütigen Senior der Familie Guillermo/Germain Gsell, über das allmälige Einleben in die Tätigkeit im Bankhaus Ernesto Tornquist y Cia, ~ die Erlernung der schönen weichen spanischen Sprache u. die Gewinnung von Bekannten u. Freunden fürs Leben im Geschäft, Pension u. Logis. Die Grossstadt Buenos Aires mit ihren breiten neuen Strassen, den prunkvollen Palästen,dem wundervollen Blumenpark Palermo u. auch die armseligen Quartiere der Vorstädte lernt man kennen,die leider topfebene Umgebung wird durchwandert, durchradelt, durchritten, an Feiertagen im Canoe oder im grossen Boot im Delta des mächtigen Parana herumgerudert u. auf den einsamen idyllischen Deltainseln gefeiert u. ausgeruht. Bald hatte Hans in der neuen Welt sich eingelebt u. genoss mit Frohmut die Schönheit des jugendlichen Lebens. Seine Sprachkenntnisse u. seine zuverlässige Tüchtigkeit sicherten ihm im der Bank einen guten Platz als Korrespondent.

Leben in Argentinien

Bei reichlicher Arbeit war so eine selbständige, unabhängige Existenz gewährleistet. Ausser der beruflichen Beschäftigung bot das grosse Bankhaus dem jungen Angestellten sehr willlkommene Gelegenheit zur Erholung u. Pflege der Geselligkeit in der Freizeit im grosszügigen Bankclub an der Rivadavia, mit Wirtschaftbetrieb im eigenen Clubhaus, das zu Bridge, Schach u. Tanz wie auch zu Leichtatletik, Tennis u. Fussball, auf dem prächtigen umgebenden Grundstück einlud.

Die schönste Zeit des Jahres waren stets die wohlverdienten Ferien. Die vielen Reisen, zuerst allein, später mit Kameraden, meistens mit einem eng befreundeten Schweizer Ehepaar, machten ihn mit dem Leben auf dem Camp, mit dem lieblichen Meeresstrand von Uruguay u. La Plata, wie auch mit der malerischen an Seen reichen "argentinischen Schweiz " im Süden bekannt, auf einer Fahrt nach Norden in die tropischen Zonen Argentiniens über Tukkman lernte er die an Erzen reiche Gebirgsgegend der Coedilleren mit den armen Coca kauenden Indios, den Arbeitern in den Bergwerken, kennen. Zweimalige Ueberquerung der Anden führten ihn nach Chile, wo er in Begleitung eines lieben Schulfreundes aus St.Gallen , der in Santiago sein Glück gefunden, im innern u. an der Küste des stillen Ozeans herrliche Sommertage durchleben durfte. Ganz eigenartig gestaltete sich eine Reise mit dem deutschen Vergnüngsdamp!er Monte Cervantes nach dem Fenerland 1932, indem nach prächtiger Fahrt, das Schiff in der Magelhaensstrasse auf ein im Wasser verborgenes Riff auffuhr, leck wurde und unterging. Die Schiffbrüchigen retteten sich in kleinen Booten an die nicht allzuweit entfernte Küste, wurden in Ushuaia, der argentinischen Sträflingskolonie gastfreundlich aufgenommen u. bald auf einem Schwesterdampfer des gestrandeten Schiffes heim gebracht. Der Kapitän fand als einziges Opfer der Katastrophe den Tod in den Wellen.

Von diesem unvergesslichen Ereignis, wie auch von dem mehr alltäglichen innern u. äussern Erleben kam in regelmässegem Briefwechsel Kunde nach Hause, so dass die Verbindung zwischen Sohn u. Familie während der sechszehnjährigen Abwesenheit eine innige blieb. Freilich sorgten auch die getreue Mutter u. der Zwillingsbruder durch rege Korrespondenz dafür, dass der ferne Sohn von allem Wissenswerten aus der Heimat Bericht erhielt u. so dem Heimweh gewehrt wurde.

Zweimal wärend des langen Aufenthaltes in Argentinien konnte in längerm Urlaub in den Jahren 1931 u. 1936 die Schweiz besucht werden, ein Jubel für Hans, eine grosse Freude für Eltern, Geschwister,die weitere Familie, Freunde u. Schulkameraden. Es waren glückliche Monate sorglosen Geniessens , die am heimischen Herd, bei Wanderungen in den geliebten Bergen, bei Besuch von Freunden in Paris u. Reutlingen u. auf den abwechslungsreichen Ausfahrten nur allzu rasch dahinschwanden.

Die zweite Heimat
Hans und Raquel in Chile

Allmälig fühlte Hans sich immer heimischer in seiner zweiten Heimat. Die Argentinier mit ihrer Kultur, der feinen klangvollen Sprache, dem ernsten Charakter, der Liebenswürdigkeit u. Zuverlässigkeit waren ihm sympathisch, er fand Freude an der fröhlichen feinen Geselligkeit, an welcher auch Ausläder teilnehmen durften. Es zog eine grosse Liebe in sein Herz, die ihn ganz erfüllte. Im April 1941 verlobte er sich mit einer jungen liebreizenden Argentinierin Raquel Rebuffo-Vincent, die, in früher Kindheit Waise geworden, bei einem Onkel u. zwei Tanten in Buenos Aires sorgfältig erzogen worden war. Im November 1941 wurde Hochzeit gehalten u. nach seligen Flitterwochen in Uruguay eine kleine hübsche Wohnung im Innern der Stadt B.A. bezogen. Es folgte ein Jahr reinen GIUckes. Das junge Paar, die Familien der beiden Ehegatten, die Freunde u. Freundinnen, alle hofften auf ein dauerhaftes stilles Glück.

Trauriges Ende

Da kam wie ein Blitz~ aus heiterm Himmel am 22. November 1942 ein Telegramm nach St,Gallen, dass Hans in Tukuman im Norden Argentiniens auf einer Ferienreise an einer Lebensmittelvergiftung gestorben sei. Mit seiner lieben Lebensgefährtin hatte Hans eine Reise nach Tukuman zum Besuch von Verwandten seiner Frau unternommen u. bei der Rückkehr von einer Excursion in die gebirgigen Anden den Todeskeim in sich aufgenommen. Trotz bester Pflege verschied er nach wenigen Tapen im Poliklinikhospital von Tukuman.

Der heissgeliebte Gatte, der gute Sohm , der treue Bruder und Freund dahin ! Man beugt sichdemütig vor der Fügung des Schicksals !

In der Gruft der Familie seiner Gemahlin tu Bueuos Aires wurde die sterbliche Hülle des Dahingegangenen beigesetzt Vor einer Trauergemeinde sprachen der Geistliche und ein getreuer Freund warme Abschiedsworte; an einer spütern Feier gedachten die Freunde von der Bank des guten Kameraden und ehrte der befreundete Abteilunschef den Verewigten in herzlicher Rede.