Erinnerungen an Adolf Naeff

Aus dem Sonderdruck  "Der Rheintaler" vom 27. September 1899

Der letzte Sprössling der Benjamin dieses Hauses Naeff ist der jetzt noch lebende Ingenieur Adolf Naeff der soeben sein 90. Wiegenfest gefeiert hat in geistiger Frische und Rührigkeit. Derselbe wurde am 26. August 1809 geboren und genoss wie alle seine Brüder eine sehr sorgfältige Erziehung. Der Vater der sich um die seines Geschlechts sehr angelegen sein liess sandte seinen jüngsten Sohn ans Gymnasium nach Aarau damals eine der vorzüglichsten Lehranstalten der Schweiz. Von dort zog Adolf zur weitern Ausbildung an die technische Hochschule von München und Wien um sich zum Ingenieur auszubilden. Er kehrte am Ende der 30er Jahre in seine Heimat zurück. Hier bot sich seinem aufstrebenden Talente also gleich ein weites Wirkungsfeld; denn das regenerierte Staatswesen zeigte sich damals recht eifrig in der Anlage von neuen Strassen und Brücken um den Verkehr nach Möglichkeit zu fördern und zu erleichtern. Der Kanton hatte zu Anfang des 4. Dezenniums in Alois Negrelli einen st.gallischen Strassen und Wasserbau-Inspektor gefunden, der durch geniale Pläne und gründliche Technik sich um unser Bauwesen sehr erhebliche Verdienste erworben hat. Leider blieb derselbe nur 3 Jahre (1832-1835) in St.Gallen, da er 1835 schon nach Zürich berufen wurde. Ihm folgte Herr Wilhelm Hartenau von Dillingen in dieser Stellung nach, mit dem unser Naeff alsbald in nähere Verbindung kam. Der junge Ingenieur Adolf nahm sofort regen Anteil an den Strassenbauten, so am Bau der Rorschacherstrasse (1839-41), deren Strecke von Neudorf bis Rieden den Ingenieuren Naeff und Lorez um 44’000 Gulden in Akkord gegeben wurde, der aber wegen der grossen Ausfüllung in der Remishub für die Akkordanten nicht zum Vorteil war. Desgleichen leitete Naeff den Bau der Ruppenstrasse, an welche die Gemeinde Altstätten im Jahre 1836 eine Subvention von 52'000 Gulden gewährte; ferner die Strasse St.Ga11en-Vöge1insegg, die am 12. März 1841 in Akkord gegeben und am 12. Nov. gleichen Jahres schon collaudiert und befahren werden konnte. Die Strasse selbst zählte damals zu den schönsten der Schweiz und trug zur Belebung des Speisevorstadt-Quartiers wesentlich bei. Erst dadurch wurde eine direkte Verbindung von Altstätten mit der Hauptstadt ermöglicht über Speicher und Trogen. Die Baukosten für die ganze Strecke von Altstätten bis St. Gallen betrug beiläufig  120'000 Gulden. Grosse Freude erweckte der erste Postwagen, der am 1. Mai 1842 die herrliche Höhe hinauffuhr. "Man glaubte sich", sagt Ehrenzeller in seinen Jahrbüchern, "in eine neue Welt versetzt, als vor den Fenstern des freundlich einsam gelegenen Wirtshauses "zur Schweizerin", solch eine Maschine vorüberging." In Speicher und Trogen, welche beiden bedeutsamen Orte St. Gallen nun um so viel näher gerückt sind, wurde der erste Postwagen mit besonderen Festlichkeiten begrüsst. An der Grenze bei Vögelinsegg, beim Postbureau in Speicher, am Eingang ins Dorf Trogen und beim Postbureau daselbst empfingen Ehrenbogen mit Inschriften den willkommenen Passagier. Auf dem Ehrenbogen wehten als Symbole eidgenössischer Eintracht und nachbarlicher Freundschaft: die Fahnen Oesterreichs (Verbindung mit Feldkich), der Eidgenossenschaft, St. Gallens und Appenzells.“

In denselben Jahren (1838-40) beschäftigte sich Naeff auch mit dem Bau der wohlangelegten Strasse von Ragaz nach dem Pfäfferser Bad, mit der Ausarbeitung des Strassennetzes in Appenzell A.Rh. und mit Bauten im neuenburgischen Traverstal . Hand in Hand mit diesen Arbeiten gingen in der Folgezeit die Wasserbauten der Rheinkorrektion, die zum ersten Mal schon im Jahre 1821 aufgegriffen wurden und die wie ein roter Faden sich durch das ganze Jahrhundert hinziehen, und jetzt noch nicht zum Abschluss gekommen sind. Die diesbezüglichen Verhandlungen aus den 30, 40, 50 und 60er Jahren würden ganze Folianten ausmachen, wollte man selbige verfolgen.

In den 50er Jahren kam dann auch die Zeit, in der unser Ingenieur einem weitern Arbeitsfelde, nämlich den Eisenbahn-Bauten, seine Aufmerksamkeit zuwenden konnte. Im Verein mit ausländischen und inländischen Technikern arbeitete derselbe unermüdlich an der Einführung dieses weltumgestaltenden modernen Verkehrsmittels. Er betätigte sich an der Erstellung der ersten schweizerischen Eisenbahnlinie Baden-Zürich, der Centralbahn in den Kantonen Aargau und Solothurn, sowie auch in vorzüglicher Weise an den Vereinigten Schweizerbahnen.

Unter seinen Hochbauten sind hervorzuheben: die Eisenbahnbrücke über die Limmat bei Turgi (Kt. Aargau).

Seine grässten Verdienste erwarb sich der gewandte Techniker durch den Bau der seit 1870 im Betrieb stehenden Vitznau-Rigi Bahn, die er im Verein mit den Ingenieuren Riggenbach und Zschokke ausgesteckt und geleitet hat. Durch dieses viel bewunderte Meisterwerk erwarb sich der Erbauer einen grossen Ruf überall nah und fern.

So hat also der ehrwürdige Veteran eine glänzende Carriere hinter sich, reich an Verdiensten und Grosstaten um das engere und weitere Vaterland. Wenn auch der Jubilar nicht mehr in seinem Vater Städtchen weilt, sondern seinen Aufenthalt schon seit längerer Zeit in St.Gallen genommen hat, so darf ihn unsere Heimatgemeinde doch voll und ganz zu den Ihrigen zählen.

Der bekannte Techniker widmete sich in jüngeren Jahren auch mit Vorliebe dem Militär. Er schwang sich daselbst zum Artillerieoberst empor und machte als solcher den Sonderbunds-Fe1dzug (1847) mit. Ueberhaupt nahm er regen Anteil an den Geschicken unseres Vaterlandes bis auf den heutigen Tag.

Herr Oberst Naeff repräsentiert nun noch als einziger lebender Sprössling dieser Familie. Möge derselbe noch einen freundlichen Lebensabend geniessen, der nicht an Leiden getrübt ist, und möge die dankbare Erinnerung an diese verdiente Familie wiederum aufleben. Sie hat es verdient in vollem Masse.

AUFZEICHNUNGEN VON ADOLF NAEFF 1809-1899


Geb. 1809 26 August. Von 12 Kindern das 11 te, 2 Mädchen starben sofort nach der Geburt.

1811 Mutter gestorben
Confirmation bei Pfarrer Bänziger 1825
Schulen in Altstädten und ebendaselbst Bezug des Instituts Schneider;
damals 2 Brüder, wovon der jüngere bald starb.
In den Jahren 1825 bis 1827 Bezug der Kantonsschule in Aarau.
Diejenigen Professoren, welche mich am besten förderten waren:
Brunner: Mathematik
Belliger: Zeichnen
Meier: Naturgeschichte
Rauchenstein: Latein
Fallén:Deutsch und Poesie
1828, 1829 &1830 in München. Bezug des damaligen Instituts für Technik: Akademie der bildenden Künste. Zugleich Student der Universität, um an derselben zugleich die entsprechenden Fächer zur Ausbildung im Ingenieurfach zu profitieren.
1831,1832 und 1833 als Ingenieur-Praktikant bei Negrelli, das erste Jahr in Bregenz, wo Negrelli Kreisingenieur Adjunkt war, dann in St. Gallen, wo Negrelli die Stelle des Strassen und Wasserbau Inspektors bekleidete.
Diese 3 jährige Lehrzeit bei dem ausgezeichneten und liebenswürdigen Lehrer - dem ich alle meine nachherigen Erfolge verdanke legten mir vorzugsweise den Grund zu einer praktisch tüchtigen Geschäfts-Laufbahn.
IIm Halbjahr 1833-34 besuchte ich noch das Politechnikum in Wien. Lehrer für Baukunde: Cudriasski.
In den Jahren 1834 bis 1846 theilte sich die Berufstätigkeit zwischen Betheiligung bei Strassenbauausführungen und Privat Ingenieur-Arbeiten,zumeist für Strassenbau-Projekte in den Kantonen St. Gallen, Appenzell, Zürich, Schwyz und Aargau.
Hauptsächlichste Bauarbeiten während diesen Jahren:
Projektierung und Bauausführung der Strasse über den Ruppen von Altstädten nach Trogen.
Strassenbauausführungen durch das Toggenburg und in Wyl.
Projektierung und Bauausführung des Badweges von Ragaz nach Bad Pfäfers.
Bearbeitung der Strassennetze in den Kantonen Appenzell und Schwyz.
Planierung und Bauausführung der Rheinstrasse von Laufenburg nach Coblenz.


1840  6 Okt. Verehelichung mit Marie Custer
Kinder: Marie Auguste geb. 7. Aug. 1842
Antonia Clara geb. 19. Aug. 1843
Max geb, 26. März 1846
Rosa Corneliageb. 20. Juli 1847
Eufrosina Irma 1849 gest. im Jan. 1850
1842  2 Juli Bruder August gestorben
1845  Apr. und Mai Auszug als Hauptmann einer St. Gal1er Batterie ins Aargau (Freischarenzug gegen Luzern)
1844/45  Strassenvermessung im Aargau Laufenburg-Coblenz (Rheinstrasse und Bauausführung derselben (Bauführer J. Kuhn)
1846/47 Bauleitung der Eisenbahn Zürich-Baden (Nordbahn)
Sonderbundsfeldzug vom 27. Oct bis 12 Dec. 1847 als Comandant der VI ten Artillerie Brigade.
1 12 b Kanonenbatterie Zürich
1 do b Kanonenbatterie Basel
2 do b Batterien Bern
1 24 b Haubitzbatterie Solothurn
5 Batterien: Standorte: Zürich-Bern-Freiburg, Luzern-Altdorf
1850 13 Jan.  Sterbetag von Marie
1851/53 Strassenvermessungen durch den Kanton Appenzell A und I Rhoden
1853 24/25 März Vater gestorben
1853/54 Bauaccord der Eisenbahn St. Gallen-Sitterbrücke
Bauaccord der Brücke über die Thur bei Heschikofen mit Baumstr. Locher (amerikanische Holzgitter Construction) und II tes Bahnbaulaos daselbst.
1854/56 Bauaccorde der S. Centralbahn
Bauloose b. Aarburg und Zofingen, Bahnhofgebäude in Olten, Gewölbte Brücke über die Aare b. Olten (mit Bmstr. Locher)
1855/56 Bauaccord der gewölbten Reussbrücke Thurgi-Windisch und Baulos Thurgi-Brugg.
1856/57 Wohnaufenthalt mit Familie in Aarburg
1855 29. Apr. Begräbniss der Schwiegermutter Friedr. Custer
1857/58 Brückenbau über d. Limmath bei Thurgi und Bauloos durch das Siggenthal Turgi - Coblenz mit Tunnel b. Coblenz und Brückenpfeiler der Rheinbrücke
Bauaccord, Bauloos Zollikofen-Worblaufen, S.C.B. Bauaccord Gewerbe-Canal-Bau bei Bamberg Bayern.
1857/58 Zwei Amtsdauern als Mitglied des Bezirksgerichtes und eine Amtsdauer als Mitglied des eidgenössischen Schwurgerichtes.
1858 Kauf und Bezug der Besitzung Schäf1isberg.
1858/59 Brückenbau ü.d. Aare bei Kiesen S.C.B. Bauführer A. Custer.
1859 Reise mit Tochter Marie von Frankfurt nach Düren, dann allein Reise nach Belgien und London, im Rückweg mit Marie von Düren über Paris nach Hause.
1859/60 Bau des Gewerbekanals (Emmenkana1) und der Pferdeeisenbahn Derendingen-Biberist.
1860/61 Bauaccord der Strafanstalt bei Lenzburg (Bauführer A. Custer).
1861 Reise mit Tochter Clara von Frankfurt nach Hannover-Hamburg-Berlin-Leipzig.
1861/62 Bauaccord der Spinnerei Hagendorn (Bauführer E. Näff).
1862 6 Juni Bruder Carl  gestorben.
1863 Bauaccord b. Schönenwerd ü.d. Aare Ho1zgitter-Konstruktion.
1863/64 Bauaccord der pneumatisch fundirten Brückenpfeiler in Busswi1 (Aarebrücke) J.B.L. Bahn (Bauführer Ed. Näff).
1864 Projektierung der Eisenbahnlinie Biberist-Burgdorf.
1864 19 Oct. Schwiegervater J.L. Custer gestorben.
1865 Aug und Sept. Brustfellentzündung.
1866 Badekur in Fideris (mit Ne11y).
1867/68 Bau des Posthauses in Aarau in Companie mit Zschokke und Fleiner.
1868 Nov. und Dec. Reise nach Riga und Petersburg wegen Concurrenz für Brückenbauten.

1869 Bauaccord Brücke und Uferbauten an der Aare bei Wildegg. Bahnprojekt Andelfingen-Singen.
1869 Vom 23 Apr. bis 4 Mai Conferenzen für Gründung der Gesellschaft der Rigi-Zahnradbahn als Bauleiter für Näff, Riggenbach und Zschokke.
1870 21 Mai erste Probelokomotivfahrt an der Rigibahn.
1871 22 Mai erste Eröffnungsfahrt der Rigibahn. Leitung des Betriebes der Rigibahn Saison 1871.
10. Nov. Todestag der Tochter Marie in Parnahiba.
1872 21 März bis 4 Juni Reise nach Turin - Genua - Rom - Neapel. Begutachtung einer Vesuv-Bahn. Nach Salerno - Paestum Neapel (grosse Vesuv Eruption 20 Apr.). Nach Rom - Florenz - Bologna - Venedig - Triest - Cilli - Budapest Wien - Ischel. Begutachtung einer Schafberg-Bahn. Nach München - Niederaibach und zurück nach St. Gallen.
9 Juli Todestag des Bruder Carl.
26 Oct. Todestag des Schwager Kubly.
27 Oct. Ankunft von Gustav Habisreutinger mit seinem Kinde Adolf.
1872 10 Nov. Beerdigung des Schwager V. Aug. Custer.
Bau der Doppelspur an der Rigibahn Freiberg - Kaltbad 1.te Jahreshälfte.
1873 29 Mai mit Tochter Clara nach Havre.
7 bis 30 Juni Reise allein nach Rouan - Chartres - Paris Orleans - Tours - Bordeaux - Toulouse - Garcassonne Cette - Mompellier - Niemes - Avignon - Monaco - Genua Turin. (Recognoscirung auf den Berg La Superga für Zahnradbahn).- Bellinzona - Vitznau.

1873 28 Sept. 100 jähriges Jubiläum des Stammvaters J.M. Näff in Altstädten und Marbach.
21 Oct. Nach Wien - Weltausstellung.
29 11 nach Hohenberg, Besuch bei Max in seinem dortigen Baugeschäft.
1 - 3 Nov. nach München und St. Gallen.
1874 19 - 27 Juli Eidg. Schützenfest in St. Gallen. (Präsident des Baucomite).
1875 13 Mai Kaufvertragsabschluss mit A. Merian über das Neumühle Marmorgeschäft für den Sohn Max.
31 Juli bis 11 Aug. Deutsches Bundesschiessen in Stuttgart. Nach Heilbronn - Frankfurt - Wildbad - Herrenalb Baden- Baden. Constanz. St. Gallen.
1876 Ueber Neujahr krank an typhöser Lungenentzündung. Reconvalescent bis Ende Jahr.
20 - 23 Juni nach Biel, Chaux de fonds nach Murten (Murtner-Schlachtfeier).
1877-1887 Folgen nur kurze Einträge über Reisen, meist mit 2-4 Enkeln in der Schweiz und angrenzenden Ländern, keine berufliche Tätigkeit mehr, Besuch von Ausstellungen.
Ab 1887 keine Notizen mehr